Herr Stadler, wenn Sie die letzten 10 Jahre bei AWO International Revue passieren lassen: Wie würden Sie unsere Entwicklung beschreiben?
Wolfgang Stadler: Über den ganzen Zeitraum gesehen hat es AWO International stets geschafft, mit bescheidenen Mitteln viel zu bewegen. Ich erinnere an die Arbeit mit der Waldbevölkerung der Baigas im Herzen Indiens, die durch den übermäßigen Holzeinschlag ihre Lebensgrundlage verloren. Sie wurden unterstützt, sich zu organisieren, um ihre Rechte einzufordern und erhielten Schulungen in biologischer Landwirtschaft. Heute haben sie wieder eine Lebensgrundlage. Oder das Erdbeben in Nepal im Jahr 2015: Mit einem sofortigen Nothilfeeinsatz und vielen weiteren tollen Wiederaufbauprojekten im Anschluss haben die engagierten Menschen von AWO International der Bevölkerung vor Ort zur Seite gestanden.
Aber auch den Einfluss auf den Bundesverband darf man nicht unterschätzen:
Ich erinnere mich an eine Klausur der Abteilungsleitungsbesprechung im Januar 2016, als Ingrid Lebherz uns die Sustainable Development Goals vorstellte. Die Teilnehmenden mussten den Begriff noch googeln. Heute ist das Thema nicht mehr wegzudenken. AWO International hat Nachhaltigkeit als Thema bei uns „eingepflanzt“.
Warum ist die Arbeit von AWO International für den AWO-Gesamtverband wichtig?
Wolfgang Stadler: Solidarität ist einer der existentiellen Grundwerte der AWO. Von Beginn an bedeutete das immer auch: internationale Solidarität. In unserem Grundsatzprogramm ist dieser Anspruch fest verankert: „Wir streiten für eine globale Gerechtigkeit, in der die Grundversorgung für alle Menschen öffentlich, demokratisch und ökologisch sichergestellt ist“, heißt es dort unter anderem. Die Arbeiterwohlfahrt konzentriert sich mit ihrer Arbeit auf Angebote für Menschen in Deutschland, die Hilfe und Unterstützung benötigen. AWO International hat uns von Anfang an den Blick dafür geöffnet, über den „Tellerrand“ hinauszusehen, Problemlagen globaler zu sehen und einzuordnen.
Hatten Sie ein Herzensprojekt bei AWO International?
Wolfgang Stadler: Ich fand zwar alle Projekte wichtig und unersetzlich. Persönlich hat mich aber der Büroaufbau in Uganda sehr bewegt. Dabei konnte ich zum ersten Mal wirklich nachvollziehen, welche ungeheure Arbeit das Team in die Entwicklung und den Aufbau neuer Projekte stecken muss. Als Verantwortlicher für Projekte in Deutschland spürt man da schon eine gewisse Demut..
Wo sehen Sie Herausforderungen / Chancen für unsere Arbeit in den nächsten Jahren?
Wolfgang Stadler: Ich erlaube mir, hier kein Thema aus der fachlichen Arbeit anzusprechen. Die größte Herausforderung liegt für mich darin, AWO International weiter strukturell und finanziell zu stärken und dabei die AWO in die Verantwortung zu nehmen. Ich bin stolz darauf, dass meine Idee, die finanzielle Situation von AWO International zu stabilisieren, indem man sie durch AWO-Mitgliedsbeiträge einbezieht, von der BUKO 2012 positiv aufgenommen wurde. Ebenso, dass bei der Mitgliederversammlung 2019 die Mitgliedsbeiträge angepasst wurden. Das kann aber nicht alles sein. Wir brauchen noch mehr zahlungskräftige Mitglieder. Deshalb setze ich große Hoffnung in die Kampagne, über den ehrenamtlich arbeitenden Vorstand insbesondere GmbHs und gGmbHs als Mitglieder für AWO International zu gewinnen.
Haben Sie einen letzten Ratschlag für uns und unsere Arbeit?
Wolfgang Stadler: Das einzige, was ich den Kolleg*innen mit auf den Weg geben möchte, ist die Hoffnung und die Überzeugung, dass sie trotz der schwierigen Lage auf der Welt so unbeirrt weitermachen wie bisher. Und davon bin ich überzeugt!
Zum Abschied: Auf was freuen Sie sich im kommenden Jahr am meisten?
Wolfgang Stadler: Ich freue mich am meisten auf die vermeintlich so einfachen Dinge: Mehr Zeit für die Familie zu haben und nicht mehr vom Stress des Tagesgeschäfts angetrieben zu werden.