Ausnahmezustand seit 2022
Die salvadorianische Regierung begründete den Ausnahmezustand zunächst mit einer Zunahme der Gewalt durch Banden. Unter Präsident Nayib Bukele entwickelte sich dieser zu einem repressiven Dauerinstrument, mit dem grundlegende Rechte außer Kraft gesetzt werden können. Laut offiziellen Angaben wurden über 85.000 Menschen festgenommen, viele davon ohne rechtliche Grundlage. Organisationen berichten von willkürlichen Festnahmen, Folter, Verschwindenlassen und menschenunwürdigen Haftbedingungen. Die Gefängnisse sind massiv überfüllt, es mangelt an medizinischer Versorgung und Sicherheit. Mindestens 265 Menschen starben in Haft.
Die Sicherheitslage im Land hat sich zwar verbessert, jedoch zu einem hohen Preis: Für viele reicht ein bloßer Verdacht, um festgenommen zu werden. Angehörige und zivilgesellschaftliche Organisationen berichten, dass insbesondere marginalisierte Bevölkerungsgruppen betroffen sind. Auch kritische Stimmen geraten zunehmend ins Visier des Staates.
Repression gegen kritische Stimmen
Ein besonders alarmierender Fall ist die Festnahme der Juristin Ruth López im Mai 2025. López arbeitet für Cristosal. Ihre Familie und Anwält*innen wurden nicht informiert, ihr Aufenthaltsort war zunächst unbekannt – Cristosal sprach von einem Fall des „kurzfristigen Verschwindenlassens“. López hatte sich für Transparenz und gegen Korruption eingesetzt. Für Cristosal ist ihre Inhaftierung Teil einer staatlichen Strategie zur Einschüchterung und Schwächung der Zivilgesellschaft.
Im März 2025 verabschiedete die Regierung zudem das sogenannte „Gesetz zur Regulierung ausländischer Agenten“. Dieses verpflichtet Organisationen, die Gelder aus dem Ausland erhalten, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren. Damit verbunden sind umfassende Berichtspflichten, staatliche Kontrolle und potenziell willkürliche Sanktionen. Im Fall von AWO International hätte dies bedeutet, dass 30 % der Projektgelder an den Staat abgeführt werden müssten – eine für gemeinnützige Arbeit kaum tragbare Einschränkung.
Cristosal setzt Arbeit in El Salvador aus
Vor diesem Hintergrund sah sich Cristosal im Juli 2025 gezwungen, die Arbeit in El Salvador auszusetzen. Die Entscheidung fiel zum Schutz der Mitarbeitenden, von denen einige bereits das Land verlassen mussten. Die Organisation war in den vergangenen Monaten zunehmender Überwachung, administrativer Schikane und Diffamierung ausgesetzt.
Ein weiterer Grund: In El Salvador gibt es derzeit keine Garantie mehr auf rechtsstaatliche Verfahren, etwa das Recht auf Verteidigung durch Anwält*innen, unabhängige Gerichte oder transparente Ermittlungen. Eine sichere juristische Arbeit war damit für Cristosal nicht mehr möglich.
Die Organisation bleibt jedoch aktiv: Die Menschenrechtsarbeit wird von den Büros in Guatemala und Honduras aus fortgeführt – reorganisiert, engagiert und weiterhin im Dienst der Betroffenen. Auch AWO International wird die Zusammenarbeit mit Cristosal fortsetzen und sich gemeinsam mit Partner*innen weiterhin für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in El Salvador einsetzen