Jahr für Jahr wagen zehntausende Menschen die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer, um Europa zu erreichen. Sie fliehen vor bewaffneten Konflikten, Menschenrechtsverletzungen, Armut und den zunehmenden Folgen des Klimawandels. Das zentrale Mittelmeer zählt zu den tödlichsten Fluchtrouten der Welt. Seit 2015 sind dort mindestens 28.932 Menschen gestorben oder verschwunden. Die tatsächliche Zahl dürfte noch deutlich höher liegen.
Seit 10 Jahren übernehmen zivile Seenotrettungsorganisation die Aufgabe und Pflicht der europäischen Staaten und leisten unmittelbare Hilfe im zentralen Mittelmeer.
Am 18.06.2025 auf einer Pressekonferenz zogen die Organisationen United4Rescue, Sea-Watch, Sea-Eye und unsere Partnerorganisation SOS Humanity Bilanz und forderten ein Ende der politischen Blockaden von Rettungseinsätzen.
Bis April 2025 waren sie an der Rettung von 175.595 Menschen beteiligt – trotz wachsender politischer und bürokratischer Schikanen. Europäische Staaten und die EU setzen weiterhin auf Abschottung statt Schutz und missachten dabei internationales Recht. So führte etwa das italienische “Piantedosi-Dekret” seit Januar 2023 zur Festsetzung ziviler Schiffe in 28 Fällen – insgesamt 680 Tage lang.
„Seit zehn Jahrenweigern wir uns als Zivilgesellschaft, das Sterbenlassen zu akzeptieren“, so Mirka Schäfer, politische Sprecherin von SOS Humanity. „21 zivile Organisationen versuchen im zentralen Mittelmeer die Rettungslücke zu füllen, 10 davon kommen aus Deutschland. Darunter sind SOS Humanity, Sea-Eye und Sea-Watch, die alle 2015 von Bürgerinnen und Bürgern gegründet wurden. Doch die Bedingungen für unsere Arbeit werden immer schwieriger, die Behinderung unserer Rettungsflotte durch staatliche Maßnahmen eskaliert.“
Die Unterstützung für zivile Seenotrettung bleibt stark: Zehntausende engagieren sich, spenden und ermöglichen so Rettungseinsätze. Das Bündnis United4Rescue mit fast 1.000 Mitgliedern steht exemplarisch für diesen Rückhalt in der Zivilgesellschaft. Ebenso wichtig sind Gruppen wie Refugees in Libya, die sich für die Rechte von Flüchtenden einsetzen und Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, oder das Alarm Phone, das seit über zehn Jahren eine Notruf-Hotline für Menschen in Seenot betreibt. Beide nahmen –stellvertretend für viele weitere –an der Pressekonferenz teil und machen deutlich: Wenn Staaten versagen, versucht die Zivilgesellschaft einzuspringen – auch wenn sie eine politische Lösung nicht ersetzen kann.
Als eine menschenrechtskonforme europäische Lösung stellten die Organisationen das Rettungskonzept Mare Solidale vor. Es skizziert den rechtlichen Rahmen, schlägt konkrete Mechanismen für eine koordinierte EU-Seenotrettung vor und legt eine realistische Kostenabschätzung vor. Die Botschaft ist klar: Die EU könnte das Sterben im Mittelmeer beenden – wenn der politische Wille vorhanden wäre. Die Organisationen fordern von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung als humanitäre und rechtliche Pflicht. Deutschland soll sich in der EU für ein staatlich koordiniertes, voll finanziertes Rettungsprogramm im Mittelmeer einsetzen. Die Kooperation mit autoritären Regimen wie Tunesien und Libyen im Bereich Grenzschutz muss beendet werden. Tunesien darf angesichts systematischer Gewalt, fehlendem Asylschutz und politischer Repression nicht als sicheres Herkunfts- oder Drittland eingestuft werden.