Diese Unternehmen müssen fortan bei direkten Zulieferern sowie anlassbezogen auch bei indirekten Zulieferern Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung ermitteln, Gegenmaßnahmen ergreifen und diese gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle dokumentieren.
Johanna Kusch, Koordinatorin des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Initiative Lieferkettengesetz“, kommentiert:
Dass am 1. Januar das Lieferkettengesetz in Deutschland in Kraft tritt, ist ein Meilenstein: Endlich werden deutsche Unternehmen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in ihren Geschäften verpflichtet. Sie entscheiden nicht mehr nur freiwillig und nach Belieben, ob sie sich etwa mit Arbeitsausbeutung in ihren Lieferketten beschäftigen wollen – sie müssen Verantwortung für Bedingungen in ihren Lieferketten übernehmen.
Doch: Die Handschrift der Wirtschaftslobby und der Union ist im Gesetz klar erkennbar. Es fehlt vor allem eine zivilrechtliche Haftungsregel, die Betroffene besser schützt. Außerdem vernachlässigt das Gesetz viele Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes. Es ist zudem schockierend, dass dieselben Akteur*innen globale Krisen wie die Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als Vorwand anbringen, um das Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar zu verhindern.
Doch das Lieferkettengesetz ist jetzt am Start. Was wir nun brauchen, ist eine gute Umsetzung in Deutschland und der Einsatz für eine starke EU-Regulierung, die die Lücken im deutschen Gesetz dauerhaft schließen kann. Die Bundesregierung muss auch mit Blick auf eine europäische Regelung ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wahrmachen und sich im kommenden Jahr für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz einsetzen!
Heike Drillisch, Koordinatorin des CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung, kommentiert:
Endlich gelten in Deutschland für große Unternehmen verbindliche Sorgfaltsplichten. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz muss jetzt wirkungsvoll durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) umgesetzt werden, auch in enger Kooperation mit der Zivilgesellschaft und Betroffenenvertreter*innen. Denn gerade weil die behördliche Kontrolle der einzige Durchsetzungshebel für das Gesetz ist, muss dieser gut greifen.
Das BAFA muss von seinen Befugnissen umfassend Gebrauch machen, wirksame Prüfkriterien aufstellen und risikobasierte Kontrollen bei Unternehmen durchführen. Allein der Nachweis von Zertifizierungen oder die Beteiligung an Industrieinitiativen kann nicht als ausreichender Beleg gelten, dass die Sorgfaltspflichten eingehalten wurden – das haben Beispiele wie der Dammbruch in Brumadinho, Brasilien, bewiesen. Das Gesetz sieht zudem vor, dass die Behörde auf Antrag Betroffener hin tätig werden kann. Dieses Antragsverfahren muss so gestaltet werden, dass es gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zugänglich, legitim und berechenbar ist.
Voraussetzung für die gute Umsetzung ist, dass die zuständige Abteilung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle genügend Personal zugewiesen bekommt. Als Vorreiter bei der behördlichen Durchsetzung übernimmt Deutschland eine Vorbildfunktion für Europa.
Eine zusammenfassende Analyse des deutschen Gesetzes finden Sie hier.
Hier finden Sie das Papier Behördliche Durchsetzung des Lieferkettengesetzes. Anforderungen aus zivilgesellschaftlicher Sicht.
Die EU verhandelt derzeit über eine europäische Lieferkettenregulierung. Der Europäische Rat der Mitgliedstaaten hat am 1. Dezember 2022 seine Position zu einem diesbezüglichen Vorschlag der Europäischen Kommission beschlossen. Die Positionierung des Europäischen Parlaments wird für Mai 2023 erwartet, danach müssen sich alle drei Institutionen auf eine gemeinsame Regelung einigen.
Kontakt
Initiative Lieferkettengesetz – Michelle Trimborn: presseprotect me ?!lieferkettengesetzprotect me ?!.de – 01577/57 23 737
CorA Netzwerk für Unternehmensverantwortung – Heike Drillisch – heike.drillischprotect me ?!cora-netzprotect me ?!.de – 0177/34 52 611