AWO International: Was machte COVOID – bevor Corona ausgebrochen ist – im Flüchtlingslager Nakivale?
COVOID: Nakivale liegt im Distrikt Isingiro, nahe der ruandischen und kongolesischen Grenze. Wir unterstützen hier 2700 Geflüchtete aus dem Kongo, dem Südsudan, Ruanda und Burundi sowie arme ugandische Familien, indem wir Saatgut verteilen und sie in innovativen, klimaresistenten Anbaumethoden schulen. Darüber hinaus leisten wir einen Beitrag zum Klimaschutz, fördern Geschlechtergerechtigkeit, tragen zur sozialen Inklusion von Geflüchteten und Menschen mit Behinderung bei und unterstützen unsere Zielgruppen bei der Familienplanung.
Die ersten Corona-Fälle wurden in Uganda gemeldet. Welche konkreten Auswirkungen spüren Sie?
Unsere Regierung hat strenge restriktive Maßnahmen erlassen: Durch die Ausgangssperre können Tagelöhner nicht mehr arbeiten, Straßenstände wurden geschlossen und Motorrad-Taxis sind verboten. Dadurch verlieren die Familien ihr Einkommen, und Menschen – besonders in abgelegenen Regionen – können sich nicht fortbewegen. Das betrifft auch wichtige Arztbesuche. Bereits jetzt zeichnet sich zudem eine starke Verteuerung von Lebensmitteln ab: Ein Päckchen Salz kostete noch vor zwei Wochen 700 Uganda-Schilling, heute bis zu 4000. Das liegt sowohl an Hamsterkäufen als auch an Händlern, die aus der Krise ein Geschäft machen.
Wie gehen die Menschen mit der drohenden Corona-Epidemie um?
Der Flüchtlingsstrom lässt nicht nach. Täglich kommen neue Geflüchtete im Camp an – die Bewohnerinnen und Bewohner haben Angst, dass die Neuankömmlinge mit Corona infiziert sind. Auf der einen Seite haben viele Menschen in Nakivale und in anderen Landesteilen Ugandas so große Angst, dass sie ihre Häuser nicht mehr verlassen. Dies hat weitreichende Folgen, denn in der aktuellen Regenzeit müssten eigentlich die Anbauflächen und Felder bestellt werden. Auf der anderen Seite haben unsere Zielgruppen teilweise noch keine Informationen von offizieller Seite erreicht. Viele wissen noch nichts vom neuen Coronavirus. Die Menschen leben im Camp zudem dicht beisammen und haben ein sehr hohes Infektionsrisiko. Die vorbeugende Isolierung von alten Menschen und Risikogruppen ist in den Großfamilien kaum möglich, intensivmedizinische Betreuung ist nicht verfügbar.
Welche Maßnahmen sind geplant?
Wir haben in den letzten Tagen zwei Notfallteams aufgebaut, die mit Megafonen durch die Straßen ziehen. Sie verbreiten verlässliche Informationen zu Covid-19, zu Symptomen, persönlichen Schutzmaßnahmen und zur Meldepflicht von Verdachtsfällen. Darüber hinaus sind wir dabei, ein Frühwarnsystem mittels SMS und WhatsApp aufzubauen, damit wir betroffene Familien unterstützen können, ohne in physischen Kontakt treten zu müssen. Auf häufig frequentierten Plätzen und vor Geschäften errichten wir Handwaschstationen mit Seife, fließendem Wasser und Desinfektionsmitteln. Darüber hinaus unterstützen wir 360 Familien bei der Anlage solcher Handwaschstationen: Jede Familie erhält ein Hygiene-Set mit Seifen, Mund- und Nasenschutzmasken sowie Schutzhandschuhen. Unsere Notfallteams werden auch beim großflächigen Sprayen der Unterkünfte behilflich sein.
Für eine weitreichende Aufklärungskampagne konnten wir Sie mit unseren drei weiteren ugandischen Partnern vernetzen. Was entsteht hier?
Gemeinsam mit AFARD, ECO und UCOBAC erarbeiten wir barrierefreie Poster in sechs verschiedenen Sprachen. Auf diesen informieren wir mit Grafiken über Symptome von Covid-19, die Verbreitung des Virus, Hygiene-Präventionsmaßnahmen und Handlungsfelder im Infektionsfall. Mithilfe von AWO International werden wir 6000 Poster in fünf Distrikten verteilen; unter anderem auch in Bidibidi, dem größten Flüchtlingslager der Welt. Außerdem arbeiten wir an Informations-Jingles mit Kernbotschaften zum Virus in drei Sprachen, die drei- bis viermal pro Tag über den regionalen Radiosender Vision Radio im Distrikt Isingiro und in den Nachbardistrikten ausgestrahlt werden. Darüber hinaus organisieren wir Talkshows mit Gesundheitsexpert*innen im Radio, um relevante Informationen aus erster Hand schnell und weitflächig zu verbreiten.
Wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeiter*innen?
Die Nachrichten aus China und die hohen Opferzahlen aus Spanien und Italien verunsichern auch uns und unsere Mitarbeitenden und Freiwilligen vor Ort. In unserer täglichen Arbeit kommen wir mit sehr vielen Menschen in Kontakt. Wir fragen uns: Wie kann ich mich selbst vor einer Ansteckung schützen? Wie kann ich viele Menschen ohne Gruppenbildung erreichen? Wie kann ich die Zielgruppen schützen, ohne sie anzustecken (im Falle einer unerkannten eigenen Infektion)? Trotz Angst und Unsicherheit war es für uns alle keine Frage, uns aktiv im Corona-Projekt zu engagieren.
Dieses Interview ist im weitblick 01/2020 erschienen