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20. Juni 2023 Gastbeitrag

SOS Humanity - Rettung auf dem Mittelmeer

Ein Gastbeitrag von Petra Krischok

Frauen auf der Flucht sind oft besonders gefährdet. Sie erhalten auf dem Rettungsschiff Humanity 1 speziellen Schutz und Fürsorge.

Mehrere Menschen in Rettungswesten auf einem Boot. Eine Mutter lächelt und hat ein Kind auf dem Arm.

Seit der Gründung 2015 unterstützt AWO International die zivile Seenotrettungsorganisation SOS Humanity. Bis heute haben die internationalen Crews, darunter viele Ehrenamtliche aus der Zivilgesellschaft, 35.673 Menschen aus Seenot gerettet. Vormals SOS Mediterranee Deutschland, heißt die in Berlin ansässige Nichtregierungsorganisation seit Januar 2022 SOS Humanity und hat mit ihrem Schiff Humanity 1 von September 2022 bis Juni 2023 über 1.000 Kinder, Frauen und Männer vor dem Ertrinken im Mittelmeer bewahrt.

Frauen auf der Flucht sind besonders vulnerabel. Während sie häufig vor Zwang und Gewalt in ihrem Heimatland fliehen, darunter Zwangsheirat, sexualisierte Gewalt und Genitalverstümmelung, setzt sich ihre Angst und die Bedrohung auf der Flucht weiter fort.

Erschütternder Fluchtbericht einer jungen Mutter

An Bord der Humanity 1 berichtet Aisha (Name geändert) einem Crewmitglied, von ihren Erfahrungen auf der Flucht:

„Das erste Mal wurde ich in Benghazi (Libyen) entführt, als ich 20 Jahre alt war. Ich war ein Monat lang im Gefängnis, es gab kein Essen, kein Wasser und kein Licht. Ich glaube, es war eine Art Garage. Sie schlugen mich jeden Tag. Sie verlangten 5.000 libysche Dinar, aber ich hatte kein Geld. Eines Tages kam der Entführer und fing an, auf alle zu schießen. Ich hatte Glück, dass sie mich nicht töteten. Ich rannte weg und entkam. Die Mädchen, die blieben, wurden zur Prostitution verkauft. Ich fand eine Stelle als Kindermädchen in einem Haus, aber sie bezahlten mich nie. Sie schlugen mich jeden Tag. Ich hatte keine andere Wahl, als zu einem anderen Mann mit mehr Geld zu gehen, und aus dieser Beziehung ging mein Baby hervor. Nach einer Weile hatte ich genug Geld zusammen, um Araber für die Fahrt über das Meer zu bezahlen. Ich war schwanger. Doch die Libyer fingen mich wieder ab. Dieselbe Person, der ich Geld bezahlt hatte, um zu fliehen, brachte mich erneut ins Gefängnis. Nachdem es mir gelungen war, das Lösegeld zu bezahlen, ging ich nach Tripolis zu einem Anwalt. Er half mir, einen Arzt aufzusuchen, weil ich immer noch schwanger war. Mein Baby wurde in einem Haus geboren. Nach einer Weile hatte ich genug Geld, um eine weitere Fahrt über das Meer zu bezahlen. Die Libyer erwischten mich wieder; diesmal blieb ich sechs Monate im Gefängnis, zusammen mit meinem Baby. Ich war mit einem Mann unterwegs, er wurde im Gefängnis getötet. Bei meinem vierten Fluchtversuch wurde ich von der Humanity 1 gerettet. Der Vater meines Babys ist immer noch in einem Gefängnis in Libyen.“ 

Schützen und Begleiten

An Bord der Humanity 1 können sich die Frauen, wie auch die anderen Geretteten, oftmals nach Monaten und Jahren der Angst und Schutzlosigkeit, erstmals wieder sicher fühlen. SOS Humanity hat ein Women Shelter, einen Schutzraum mit Betten und einer Dusche nur für Frauen und Mädchen und ihre kleinen Kinder auf dem Rettungsschiff eingerichtet. Kein Mann hat hier Zugang.

Zu den Zielen von SOS Humanity gehört, die Geretteten an Bord bestmöglich zu schützen und zu begleiten. In dem ehrenamtlichen medizinischen Team auf der Humanity 1 arbeitet auch eine Hebamme mit. Sie ist nur für die Frauen da, betreut Schwangere und Babys. Durch die Untersuchungen, Behandlungen und ihre vorsichtigen, einfühlsamen Fragen zur allgemeinen Gesundheit und dem, was ihnen widerfahren ist, wird die Hebamme vielfach zur Vertrauten der geflüchteten Frauen. Manchmal öffnen sie sich und erzählen zum ersten Mal, was sie bis dahin allein tragen mussten. Somit erfüllt die Hebamme nicht nur die medizinische Aufgabe im engeren Sinne, sondern bei den Frauen in besonderem Maße auch das Ziel von SOS Humanity, die Geretteten zu schützen und zu begleiten.

Als die Hebamme Holly aus Großbritannien im Mai 2023 an Bord der Humanity 1 ging, erklärte sie: „Meine Motivation, SOS Humanity zu unterstützen, bestand nicht nur darin, Frauen klinische Geburtshilfe zu bieten, sondern auch ein offenes Ohr sowie einen Ort des Vertrauens und der Ruhe für Frauen und Familien zu bieten. Ich hoffe, dass ich etwas Würde, Freundlichkeit und Mitgefühl in einer sicheren, erholsamen Umgebung vermitteln kann.“

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