Um dem am 12.12.2021 vorgelegten Gesetzentwurf, der noch durch das Kabinett und vom Bundestag beschlossen werden muss, wurde zwischen den beteiligten Umwelt-, Wirtschafts- und Entwicklungsministerium in den letzten Monaten hart gerungen. Herausgekommen ist ein „Kompromiss“, aus dem die zentrale Forderung nach zivilrechtlicher Haftung auf Druck von Wirtschaftsminister Altmaier gestrichen wurde. Das Gesetz soll vom 1. Januar 2023 an gelten, zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten. Ab 2024 soll es auch für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern gelten.
Die Einigung auf einen Kompromiss für ein Lieferkettengesetz kommentiert Johanna Kusch, Koordinatorin des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Initiative Lieferkettengesetz“:
„Der heutige Kompromiss ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung: ‚Made in Germany‘ darf nicht länger für Kinderarbeit oder Fabrikeinstürze in den Lieferketten deutscher Unternehmen stehen. Ein Anfang hierfür ist jetzt gemacht. Das ist auch ein Erfolg all der zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wissenschaftler*innen, Unternehmen und hunderttausenden Bürger*innen, die sich seit Jahren für ein solches Gesetz aussprechen.
Klar ist aber: Ein wirkungsvolleres Gesetz wäre möglich gewesen. Doch offenbar sind der CDU ihre guten Beziehungen zu den Wirtschaftsverbänden wichtiger als der effektive Schutz von Menschenrechten und Umwelt. Nur so ist zu erklären, dass das Gesetz zunächst nur für so wenige Unternehmen gilt. Durch die fehlende zivilrechtliche Haftung wird Opfern von schweren Menschenrechtsverletzungen ein verbesserter Rechtsschutz vor deutschen Gerichten verwehrt. Und auch die Pflicht zur Einhaltung von Umweltstandards berücksichtigt das Gesetz nur marginal – hier gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf.
Umso wichtiger ist es, dass in Zukunft eine Behörde prüfen wird, ob sich Unternehmen an ihre Sorgfaltspflichten halten. Verstößt ein Unternehmen gegen seine Pflichten, kann die Behörde Bußgelder verhängen und das Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausschließen. Das ist ein großer Fortschritt zu den bisherigen freiwilligen Ansätzen.
Die Bundestagsabgeordneten fordern wir nun dazu auf, sicherzustellen, dass die Sorgfaltspflichten von Unternehmen den UN-Leitprinzipien entsprechen. Ein Lieferkettengesetz muss auch Umweltstandards abdecken und eine zivilrechtliche Haftungsregelung enthalten, um die Schadensersatzansprüche von Betroffenen zu stärken.“
Ingrid Lebherz, Geschäftsführerin von AWO International, unterstützt die Forderung nach einem wirksamen Lieferkettengesetz und sieht nun den Bundestag in der Pflicht, beim Gesetzentwurf dringend nachzubessern:
- Klarstellung, dass Unternehmen aktiv menschenrechtliche Risiken in ihrer gesamten Lieferkette ermitteln und beseitigen müssen und nicht erst auf einen Anlass warten dürfen. Ansonsten greift das Gesetz den Grundgedanken der UN-Leitprinzipien nicht ausreichend auf.
- Ausweitung des Gesetzes auf mehr Unternehmen ausgeweitet und die Einbeziehung von Umweltstandards.
- Für das anstehende Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene sollte weiterhin eine zivilrechtliche Haftungsregelung vorgesehen werden. EU-Justizkommissar Reynders will im Frühjahr den Entwurf für ein Lieferkettengesetz vorlegen. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hatte Ende Januar fast einstimmig für einen starken Gesetzentwurf mit Haftung gestimmt.
Hintergrund:
Die Initiative Lieferkettengesetz ist ein Zusammenschluss aus 124 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen sowie Gewerkschaften und kirchlichen Akteuren. AWO International ist als unterstützende Organisation am Bündnis beteiligt. Eine ausführliche Analyse des heute vorgestellten Gesetzentwurfs wird das Bündnis in Kürze vorlegen.