Es ist die schlimmste Heuschreckenplage der letzten 25 Jahre: Seit Monaten ziehen riesengroße Schwärme von Wüstenheuschrecken über Ostafrika hinweg. Im Februar sind die Insekten auch in Uganda eingefallen und fressen im Norden des Landes alles was grün ist. Dies könnte zu einer Hungersnot führen, denn in Uganda sind bereits jetzt vier Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Unsere Kollegin Kathrin Zimmermann leitet unser ugandisches Büro in Kampala und gibt uns Einblicke in die Situation vor Ort.
Kathrin, kannst du uns die aktuelle Situation in Uganda beschreiben?
Es ist eine sehr besorgniserregende Entwicklung: Laut dem ugandischen Ministerium für Landwirtschaft, sind aktuell fünf Regionen des Landes von der Heuschreckeninvasion betroffen. In „Karamoja“, der ärmsten Region des Landes, wurden Heuschrecken in allen acht Distrikten gesichtet und die Eiablage hat bereits begonnen. Die vorhandenen Schwärme wurden als „reife“ Heuschrecken eingestuft, das heißt, es handelt sich um erwachsene Tiere, die nach der Eiablage nicht mehr lange leben werden. Die Insekten gelten als zerstörerisch und verursachen große Ernteschäden. Sie verwüsten Weideland und Grasland, aber auch Nahrungspflanzen wie Hirse, Kassava, Süßkartoffel, Sorghum, Erdnüsse und Früchte – das könnte schließlich zu einer Hungersnot führen.
Wie genau sieht es denn aus, wenn die Heuschrecken einfallen?
Wenn der Schwarm in Bewegung ist, färbt sich der Himmel dunkel: Mehrere Millionen Insekten ziehen über die Gras- und Weideflächen. Dabei kann ein Schwarm der Größe eines Quadratkilometers an einem Tag Nahrung für 35.000 Menschen vertilgen. Unsere Partnerorganisation ECO berichtet, dass sie sich in Uganda vor allem von der Wüstendattel (lokal als Ekorete bekannt) ernähren. Die Schwärme verweilen dabei nicht lange an einem Ort, denn die Insekten können, dank des Windes, am Tag bis zu 200 km zurücklegen.
Wie reagiert die Bevölkerung?
Unsere Partnerorganisation UCOBAC spricht von einer Massenpanik und berichtet uns von der großen Angst der Bevölkerung vor einer drohenden Hungerkatastrophe. Denn in Uganda leben 80 Prozent der Menschen von der Landwirtschaft, mehr als 40 Prozent der Bevölkerung sind bereits jetzt unterernährt. Den Bemühungen der Regierung, mit Pestiziden gegen die Heuschrecken vorzugehen, steht die Bevölkerung mit gemischten Gefühlen gegenüber. Die Imker beispielsweise sind besorgt, dass die Pestizide schädlich für die Bienen sind. Unser Partner AFARD befürchtet, dass die Pestizide den angepflanzten Maniok – das traditionelle Grundnahrungsmittel – vergiften und ungenießbar machen. Laut ECO hatten vor allem die Landwirte auf Maßnahmen gehofft, die es ihnen ermöglicht, die Heuschrecken zu fangen und zu essen. Denn in Uganda gelten Heuschrecken als Delikatesse. Durch die eingesetzten Pestizide kann es allerdings zu Vergiftungen kommen, außerdem sind die Menschen auf die Mengen an Heuschrecken natürlich nicht vorbereitet. Es bedarf Maßnahmen, sie haltbar zu machen.
Wie geht’s weiter?
Wir müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen: Ein Weibchen legt bis zu 300 Eier, im Laufe ihres Lebens bis zu 900. Die Larven sind dabei weitaus gefährlicher als die erwachsenen Insekten, denn in diesem Stadium ist der Bedarf an Futter immens. Aus diesem Grund müssen wir jetzt handeln, wenn wir die Situation unter Kontrolle halten wollen. Forscher gehen davon aus, dass es im Zuge der bevorstehenden Regenzeit zu einer explosionsartigen Vermehrung der Heuschrecken kommen wird. Gemeinsam mit unseren Partnern sondieren wir gerade, wie wir die vorbereitenden Maßnahmen intensivieren können. Wir überlegen aber auch, wie wir schnelle und effektive Nothilfe für die Betroffenen von Heuschreckeninvasionen leisten können. Die Landwirtschaftsbehörde der Vereinten Nationen FAO pilotiert gerade den Einsatz biologischer Pestizide.
Welche Maßnahmen werden aktuell diskutiert?
In unseren Projektgebieten des „100 Jahre AWO“-Projekts in Uganda bereiten unsere Partner – AFARD, ECO, COVOID und UCOBAC – die lokalen Landwirte und Geflüchtete auf Heuschreckeninvasionen vor und etablieren Frühwarnsysteme. Außerdem sondieren wir umfangreiche Maßnahmen: Wir diskutieren Schutzmaßnahmen und klären aktuell, ob wir die Erträge mithilfe von Netzen schützen könnten. Auch über die Möglichkeiten, das Tierfutter einzulagern sowie die Ernte frühzeitig einzubringen und zu konservieren, tauschen wir uns aus. Außerdem sondieren wir die Bereitstellung von Pestiziden, um geschlüpfte Heuschrecken zu eliminieren, bevor sie flügge werden. Für eine drohende Hungersnot bereiten wir uns auf Nothilfemaßnahmen vor, um Nahrungsmittel zu verteilen und die Verteilung von Saatgut für das Anpflanzen neuer Nahrungspflanzen zu ermöglichen.
Stand:27.02.2020
Hintergrund:
Seit 2019 arbeiten wir in Uganda mit vier lokalen NGOs zusammen. Der ostafrikanische Staat hat bereits mehr als 1.3 Millionen Geflüchtete – vor allem aus dem Südsudan – aufgenommen, obwohl in Uganda mehr als 40 Prozent der Bevölkerung unterernährt sind. In vier Flüchtlingslagern haben wir daher Projekte initiiert, die die Geflüchteten sowie die angrenzende Dorfgemeinschaft unterstützen: Wir verteilen unter anderem Saatgut für die Bewirtschaftung der Gärten, schulen in innovativen und klimaresistenten Anbaumethoden und helfen bei der Gründung von Spar- und Kreditvereinen.