Unsere Partnerorganisation CANTERA (Centro de Comunicación y Educación Popular – Zentrum für Kommunikation und Pädagogik) leistet politische Bildungsarbeit. Die ist vor allem seit Beginn der politisch motivierten Ausschreitungen im April 2018 in weiten Teilen Nicaraguas – ausgelöst durch die geplante Sozialreform, die unter anderem Rentenkürzungen vorsah – wichtig. Aufgrund der Ausschreitungen und der Kriminalisierung junger Menschen – insbesondere von Student*innen – ist es wichtig für CANTERA einen sicheren Ort zum Austausch und zur Weiterbildung zu bieten. Die politische Krise und schwierige Situation von jungen Menschen im Land, hat vor allem Auswirkungen auf die Emigration bzw. die Flucht aus Nicaragua: Laut Studien des Servicio Jesuita para Migrantes haben seit April 2018 rund 80.000 Frauen und Männer Nicaragua verlassen, wobei 52.000 davon ins im Süden angrenzende Costa Rica ausgewandert sind. 30 Prozent dieser Migrant*innen sind Studierende. Eine Vielzahl der Auswanderungen erfolgt durch einen Asylantrag.
Ein Kommunikationszentrum als Zufluchtsort und Weiterbildungsstätte
Die nicaraguanische Nichtregierungsorganisation CANTERA arbeitet bereits seit 1988 im sozialpolitischen Bereich für benachteiligte Bevölkerungsgruppen und steht für eine integrale Jugendarbeit mit pädagogischen Ansätzen und vielseitigen Jugendprogrammen.
Das Kommunikationszentrum CANTERA ist zunächst ein Zufluchtsort für Jugendliche vor häuslicher Gewalt. Bei CANTERA erfahren sie Schutz. Zudem vermittelt das Zentrum Grundwerte und bietet den Jugendlichen ein Freizeitangebot, welches von Kunst, Theater und Musik bis hin zu Sportveranstaltungen reicht. Hier können sich die Jugendlichen ausprobieren und sich gleichzeitig weiterbilden. In Workshops zu politischer Bildung und zur Steigerung des eigenen Selbstwertgefühls werden die Jugendlichen gestärkt. Als selbstständige und kritisch denkende Bürger*innen werden sie zu Multiplikator*innen für Jugendfragen ausgebildet und sollen aktiv an der Gesellschaft teilhaben.
Neuer Programmschwerpunkt
Aufgrund der schwierigen Lebenssituation in den Projektgebieten, startete CANTERA eine Umfrage unter den Jugendlichen, ob diese über eine Auswanderung nachdenken. Die Ergebnisse waren eindeutig und haben sich durch die politische Krise im Land noch verstärkt: die Mehrzahl der Jugendlichen denkt darüber nach Nicaragua zu verlassen. Die Mitarbeiter*innen von CANTERA erkannten die Situation und beschlossen ihren Programmschwerpunkt zu ändern. Seit 2019 ist die Projektstrategie, für eine aufgeklärte Migration zu sorgen und gleichzeitig Bleibeperspektiven zu schaffen.
Den Jugendlichen soll ein Basiswissen zur Thematik der Migration vermittelt werden, insbesondere zu Rechten und Risiken der Migration sowie zu sicheren Routen. Durch jugendliche Multiplikator*innen soll dieses Wissen an andere Jugendliche weitergegeben werden. Des Weiteren werden in den vier Projektgemeinden Selbsthilfegruppen gegründet, in denen sich von Migration betroffene Familien über die alltäglichen Problematiken austauschen können und durch CANTERA psychosozial und sozialpädagogisch betreut werden.
Individuelle Lebensprojekte gegen die Perspektivlosigkeit
Neben Gewalt ist vor allem die Perspektivlosigkeit eine zentrale Problematik, die die Jugendlichen in den Armensiedlungen von Managua beschäftigt: Der Blick in die Zukunft erfüllt viele Jugendlichen mit Hoffnungslosigkeit. Die Mehrzahl der Jugendlichen sieht in ihrer Heimat keine Zukunft und denkt an eine Auswanderung nach Costa Rica, Panama oder die USA. Um dieser Perspektivlosigkeit entgegenzuwirken, erarbeitet CANTERA gemeinsam mit den Jugendlichen individuelle Lebenspläne. Doch bevor die Jugendlichen den Blick in die Zukunft wagen, wird die Vergangenheit aufgearbeitet. Denn viele von ihnen tragen bereits in ihren jungen Jahren eine schwere Last mit sich: Der Großteil von hat (häusliche) Gewalterfahrungen gemacht. Viele von ihnen sind in zerrütteten Familienverhältnissen groß geworden.
CANTERA zeigt den Jugendlichen Perspektiven auf, wie sie ihre Zukunft gestalten können. Die Jugendlichen setzen sich dabei ganz individuelle Ziele: Einige haben vor, erst einmal die Schule zu beenden, wieder andere träumen von der finanziellen Unabhängigkeit, beispielsweise wollen sie sich als Handyreparateur selbstständig machen. Da die Jugendlichen in den meisten Fällen nicht auf den Rückhalt ihrer Familien zählen können, unterstützt CANTERA sie bei ihren Vorhaben und begleitet sie damit bei ihrem nächsten Schritt in eine positive Zukunft. In diesem Zusammenhang ist ein neuer Schwerpunkt der Projektarbeit die Realisierung einkommensschaffender Maßnahmen, um eine Bleibeperspektive für die Jugendlichen zu bieten und der Emigration von motivierten jungen Menschen entgegenzuwirken. Ausgewählte, motivierte Jugendliche sollen ein selbstständiges Projekt erarbeiten, mit dem sie für ihr Einkommen sorgen wollen, und bekommen von CANTERA sowohl Unterstützung bei der Projektfindung und -Planung, als auch ein Startkapital von 500 – 1000 US-Dollar zur Verfügung gestellt.
Update November 2022:
2018 verabschiedete die nicaraguanische Regierung ein NGO Gesetz. Dieses Gesetz hat zur Folge, dass Bildungseinrichtungen und Nicht-Regierungs-Organisationen, insbesondere dann, wenn diese vom Ausland finanziert werden, ihre Arbeit einstellen müssen. Im April 2022 ordnete die Regierung die Schließung der Organisation CANTERA an, weshalb die Zusammenarbeit mit unserem langjährigen Partner binnen weniger Tage beendet werden musste.
Projektinfo
Projekt | Jugendarbeit zur Schaffung von Bleibeperspektiven in Nicaragua |
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Ort/Region | Drei Gemeindebezirke aus dem Department Managua (Ciudad Sandino, Mateare, Villa El Carmen) und zwei Stadtviertel von Managua (Jorge Dimitrov und San Judas) |
Partner | CANTERA (Centro de Comunicación y Educación Popular) |
Zielgruppe | Jugendliche der Jugendorganisationen, potenzielle Migrant*innen (Erwachsene und Jugendliche), Mitarbeiter*innen von CANTERA, Bewohner*innen der fünf Projektgemeinden |
Aktivitäten |
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Laufzeit | 2019-2022 |
Budget | 70.000 Euro p.a. |
Förderer | BMZ |